Auf ein Neues (Jahr)!

War das eine Hektik seit August… Zuerst die Sorge wegen der Asse-Lauge, und dann das Damoklesschwert eines möglichen Bauantrages seitens Eckert & Ziegler, während wir noch versuchten, bei Nachbarn, Freunden und Bekannten auf die Sachebene vorzustoßen – gar nicht so einfach, Fakten auf den Tisch zu legen, wenn allein schon der Zweifel am Althergebrachten (Firmeninventar) die Emotionen hochkochen ließ!

Und schließlich, im November, als der Handel uns schon in den Weihnachtsstress hineinzuziehen versuchte und allerorten die Advents- und Jahresendgeschäftigkeit einsetzte, kam der PR-strategisch genial gewählte Termin für den Bauantrag. Alle hatten bis über die Ohren zu tun, jeder wurde von allen Seiten mit Spenden- und Hilfsaufrufen bombardiert… und konnte nur mit halbem Ohr zuhören, als von Eckert & Ziegler die Rede war? Keineswegs!

Innerhalb von etwas mehr als einer Woche sammelten engagierte Menschen in der und rund um die BISS rund 4000 Unterschriften. Respekt! Es gab Mitbürger, die sich die Zeit genommen haben, zuzuhören, um sich ein eigenes Bild von der Sache zu machen. Viele haben sich informiert, und nicht wenige von ihnen erklärten sich anschließend von sich aus bereit, ihrerseits Unterschriften zu sammeln. Noch immer trudeln im Nachhinein ausgefüllte zusätzliche Listen bei uns ein. Danke dafür!

Aber da war noch mehr! Zur Erinnerung – warum genau gelangten wir von den zunächst (bis zum tatsächlichen Test des Aufarbeitungsverfahrens) diffusen Ängsten rund um die Asse-Lauge zur Strafanzeige gegen Eckert & Ziegler einerseits und andererseits zum Ratsbeschluss, der bis auf weiteres den Bauantrag auf Eis legte? Und wieso ist jetzt noch immer nicht alles in Ordnung, weshalb arbeitet die BISS schon wieder auf Hochtouren? Eines ist sicher: Mit diesen Dimensionen unserer Arbeit hatten anfangs wohl nur wenige InitiativBürger gerechnet.

Anfang Dezember erstatteten die BISS und RobinWood Strafanzeige gegen Eckert & Ziegler wegen Verdachts auf unerlaubte Freisetzung von Radioaktivität, auf fortgesetzte, massive Überschreitung der Grenzwerte sowie auf ungenügende oder falsch ausgeführte Überwachung. Damit weiß jetzt der Staatsanwalt, dass die offiziellen Prüfberichte der zuständigen Überwachungsbehörde dem Leser den starken Eindruck vermitteln, Gefälligkeitsgutachten zu sein. Denn bei den im Zuge der Recherchen zur Asse-Lauge erfolgten Annäherungen an die Firma hatten sich BISSler auch in die Berichte des NLWKN eingelesen, sich während der Lektüre erstaunt die Augen gerieben, fachlichen Rat eingeholt und nach abschließendem Entschluss zum Ausatmen die Hände gewrungen. Denn die Berichte enthielten erschreckende Lücken.

Die Überwachung ist offenbar völlig unzureichend – mittlerweile sieht sich die BISS, im Wissen um die Unmöglichkeit einer wirklich professionellen Messung ihrerseits, zu eigener täglicher Umgebungsmessung veranlasst, sodass zumindest größere Ausschläge augenblicklich bekannt würden. Denn bislang liegt eine solche Warnung der Anwohner in den Händen der Firma selbst. Und die hat offensichtlich, und aus shareholder value-Sicht vermutlich sogar verständlich, kein Interesse daran, Unregelmäßigkeiten bekannt werden zu lassen. Wieso, fragten wir uns, ist es nötig, dass RobinWood am Zaun eine Grenzwertüberschreitung misst, woraufhin dann an den Folgetagen hektische Betriebsamkeit beim Umstellen der abschirmenden Container herrscht?

Wie es jetzt in bezug auf diesen „alten“ Teil der Firma weitergeht, wird der Staatsanwalt entscheiden. An dieser Stelle geht ein herzlicher Gruß an die Belegschaft von Eckert & Ziegler in den Äther; es sei eindeutig gesagt: Auch wenn die BISS der Meinung ist, dass ein Betrieb, der auf diese Art und Weise mit Radioaktivität umgeht, ja sogar überhaupt ein Betrieb, der Werte emittieren darf wie ein Atomkraftwerk, eigentlich nichts im Wohngebiet zu suchen hat, so sind wir doch keineswegs daran interessiert, Ihre Arbeitsplätze zu beeinträchtigen oder gar zu vernichten. Es geht uns um Sicherheit für uns alle.

Effekte wie „Abstumpfung“ bei täglichem Umgang mit Gefahr, selektives Sehen (vielen geht es gut – die anderen nehmen wir nicht wahr; alle meine Freunde arbeiten doch noch hier – dass mehrere Menschen gekündigt haben, weil sie Gefahren erkannt haben, die sie für untragbar hielten, hat mir niemand gesagt), möglicherweise mangelnde Information seitens des Arbeitgebers (ich weiß von keiner 2000-Stunden-Regelung, und mir reicht es, dass wir täglich mit einem Geiger-Müller-Zählrohr übers Gelände laufen) und ganz allgemein Ängste um den Arbeitsplatz sowie die Sorge um die Gesundheit, falls die BISS recht haben sollte, vermitteln Ihnen selbstverständlich ein anderes Bild von unserer Arbeit. Wir respektieren das. Aber wir werden nicht aufhören, Informationen zu verbreiten, die auf den offiziellen Messberichten beruhen. Es wäre schön, wenn Sie das akzeptieren könnten. Wir sind nicht gegen Sie, wir reichen Ihnen die Hand!

Mit dem Bauantrag Ende November allerdings rutschte die Sorge um die aktuellen Grenzwerte mit einem Schlag in den Hintergrund. Es wurde immer deutlicher, dass im Thuner Wohngebiet, angrenzend an Wenden und Harxbüttel, in unmittelbarer Nähe zu Grundschule und Gymnasium ein offensichtlich von langer Hand und hoher Stelle geplanter Verarbeitungs- bzw. Konditionierungsbetrieb für Atommüll entstehen soll. Plötzlich erschien es logisch, dass 2008 zusätzlich zur gesetzlich vorgegebenen Erlaubnis einer Emission von 1mS/a (= einem Atomkraftwerk entsprechend) Umgangsgenehmigungen für ein Vielfaches des Asse-Inventars auf unbegrenzte Zeit (!) erteilt wurden. Und zwar vom Niedersächsischen Umweltministerium. Zynisch, angesichts der Tatsache, dass hier Menschen leben und man in der Umgebung Baugebiete auswies, in denen bewusst kinderreiche Familien angesiedelt werden sollten. Noch einmal ganz deutlich: Wir wissen um den Handlungsbedarf im Zuge des Atomausstiegs und wünschen, dass jemand den Atommüll in endlagerfähige Form bringt und die Atomkraftwerke zurückbaut. Aber nicht im Wohngebiet. Weder hier noch anderswo.

Da bereits seit Mai 2011 Gespräche zwischen Eckert & Ziegler und der Stadt Braunschweig liefen, war uns Ende November, als die Expansionspläne bekannt wurden, klar, dass die offenbar im Hinterzimmer detailliert vorbereitete Erweiterung nur durch äußerst kurzfristiges Handeln überhaupt noch zu stoppen war. Die BISS hatte sich bereits vor dem Bauantrag mit den Daten, die später mit einigen Ergänzungen zur Strafanzeige führten, an die Braunschweiger Ratsfraktionen gewandt und kannte jetzt die Ansprechpartner.

In einer Sitzung, die an Spannung kaum zu übertreffen war und in der dank der Menschenkenntnis des Ratsvorsitzenden sogar mitgeklatscht werden durfte, entschied der Rat der Stadt Braunschweig, dass das Vorhaben der Firma Eckert & Ziegler nicht ohne weitere Informationen zu befürworten sei (deshalb gibt es jetzt ein Hearing), dass die Rahmenbedingungen des vierzig Jahre alten Bebauungsplanes den Anforderungen an eine Nuklearfirma nicht einmal annähernd entsprechen (deshalb wird darüber bald neu verhandelt) und dass es vorsichtshalber eine Veränderungssperre geben soll (in der Ratssitzung im Februar; bei Bedarf auch in einer Dringlichkeitssitzung des Rates, damit hier niemand hinter den Kulissen agieren kann). Was für ein (vorgezogenes) Weihnachtsgeschenk!

Und da stehen wir jetzt: Das Hearing steht an! Am 24., 25. oder 26. Januar soll es in der Schulsporthalle Wenden stattfinden. (Die Stadt teilt den genauen Termin Anfang Januar mit. Wir veröffentlichen ihn natürlich auch.) Und es ist wichtig – denn hier sollen die Positionen in Anwesenheit eines Moderators aufeinandertreffen. Es wird unerlässlich sein, „die Geister zu scheiden“: Was ist PR, was ist Fakt; wo erscheint etwas nur deshalb logisch, weil Wichtiges vorenthalten wird? Wer polemisiert, und wer ist aufgeregt, weil ihn die Fakten wütend machen?

Diese öffentliche Anhörung ist unerhört wichtig, denn:

  • Die BISS wird ihrerseits Experten vorschlagen bzw. einladen, damit alles faktenbasiert ablaufen kann.
  • Eckert & Ziegler werden versuchen, die Gefahren herunterzuspielen. Das ist nur natürlich, damit ist zu rechnen. Und wir wollen schließlich alle hören, dass alles in Ordnung ist! Aber die bekannten Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Deshalb sollte man sich von eventuellen offensichtlich unbegründeten Beruhigungsversuchen nicht einlullen lassen – das ist in der Vergangenheit oft genug in bezug auf die Nuklearfirmen des Geländes geschehen!
  • Je mehr Menschen die Ansichten der Experten (beider Seiten) kennen, desto mehr wird diskutiert – und zwar auf Basis von Zahlen und Fakten, nicht aufgrund von Befindlichkeiten und Loyalitätskonflikten.
  • Das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig (GAA-BS) ist offenbar Hauptveranstalter des Hearings, obwohl die BISS auch diese Institution betreffend bestimmte Verdachtsmomente in der Strafanzeige zum Ausdruck gebracht hat. Angesichts dieser Tatsache ist es verwunderlich, dass das GAA Eckert & Ziegler bereits zum dritten Mal (!) die Möglichkeit einräumt zu begründen, weshalb ihr Inventar unter den Begriff „Betriebsgeheimnis“ fällt. Die bisherigen Auskünfte reichten dem GAA nämlich nicht aus. Interessant ist dabei: Falls Eckert & Ziegler auch im dritten Anlauf keine nennenswerte Begründung liefert, erfährt die BISS, welche Radionuklide auf dem Gelände lagern. Nur vielleicht nicht mehr rechtzeitig vor der Anhörung – obwohl diese Information für eine adäquate Gefahreneinschätzung durch Experten unter Umständen notwendig wäre. (Für das chemische Inventar liegt übrigens eine stimmige Begründung vor, wir sprechen hier vom radioaktiven Material.) Je mehr Menschen das Hearing verfolgen, desto transparenter wird das Verfahren.
  • Ähnliches gilt für die NLWKN-Berichte, die der BISS bzw. RobinWood trotz des Informationsfreiheitsgesetzes immer erst auf langfristigen Druck ausgehändigt wurden. Der Bericht von 2010 erreichte uns erst vor wenigen Tagen! Je mehr Leute davon wissen und ggf. selbst Einsicht verlangen, und je mehr Menschen diese Berichte lesen, desto weniger können wir manipuliert werden. Es ist daher von enormer Bedeutung, dass möglichst viele informierte Bürger, aber auch solche, die mit wachem Geist Diskussionen über Informationen folgen, die ihnen neu sind, am Hearing teilnehmen.
  • Die Verflechtung von Interessen in Stadt und Land wird jetzt schon gegen die Anwohner, letztlich aber gegen ganz Braunschweig ausgespielt: Nach langem Schweigen wurde passenderweise gerade jetzt aus dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vermeldet, eine Rückholung des Asse-Mülls sei nun doch zu gefährlich. (Erfahrene Ohren mussten sich an dieser Stelle zurückhalten, um nicht nachzufragen: … oder zu teuer?) Als Alternative kommt die Verfüllung infrage – unter Inkaufnahme des Risikos einer Kontamination des Grundwassers in der Region. Und die trotzdem anfallende Lauge? Kommt vermutlich dann nach Braunschweig. Nach dem Motto: Die Menschen in der Asse-Region schützen, indem Braunschweig weiteren Dreck aufnimmt. Als ob die Asse- und Eckert & Ziegler-Anwohner nicht schon längst dieselben Ziele hätten!

Nebenbei: Die im letzten Aufzählungspunkt genannte Meldung hat offenbar die Gemüter derart aufgeregt, dass die BZ am 31.12. erneut einen Artikel zum Thema veröffentlichte, in dem BfS-Präsident König die Spekulationen um die Unmöglichkeit der Bergung zurückweist. Die Zitate, die dort benannt werden, stammen allerdings ganz offensichtlich aus demselben Interview, das bereits am 29.12. in der BZ veröffentlicht wurde (und leider nicht online verfügbar ist).

Ich halte es für bezeichnend, wenn nicht für unfair und gefährlich, dass Herr König im Zusammenhang mit der Asse-Lauge in besagtem Interview  von „Solidarität mit den Menschen in der Asse-Region“ spricht, ohne zugleich Solidarität mit den Menschen in Braunschweig zu bekunden. Sätze wie „Fakt ist, dass nach dem aktuellen Kenntnisstand die gesetzlich geforderten Schutzziele für Mensch und Umwelt nur über die Rückholung der Abfälle möglich sind“ (König in der BZ vom 29.12.) beruhigen angesichts der ansonsten äußerst unkonkreten Aussagen nur mäßig. Kenntnisstände ändern sich mitunter schnell; und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Rückholung wird hier überhaupt nicht angesprochen.

Lassen wir uns also nicht gegeneinander ausspielen, sondern suchen wir die beste Lösung für uns alle – wir sitzen nämlich alle in einem Boot!

Es wäre superschön, wenn die Schulsporthalle am Tag des Hearings, ähnlich wie der Sitzungssaal im Rathaus, aus allen Nähten platzen würde. Es lohnt sich in jedem Fall zu kommen, denn allein das große öffentliche Interesse, das dadurch bekundet wird, verdeutlicht die Dringlichkeit.

Vor uns liegt eine arbeitsreiche Zeit, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Einsatz sich lohnt. Wir haben so unglaublich viel Hilfe, Unterstützung und Zuspruch bekommen – von Nachbarn, Freunden und Bekannten, aber auch von anderen Bürgerinitiativen wie der AG Schacht Konrad, dem Koordinationskreis Asse II und der Waggumer BI, von der BiBS und nicht zuletzt von unseren Ratsdamen und -herren wie Nicole Palm, Holger Herlitschke, Peter Rosenbaum und den vielen Ungenannten, die in unserem Sinne stimmten. (Hoffentlich habe ich niemanden vergessen!) Dafür sagen wir Dank.

Halten wir weiterhin zusammen! In diesem Sinne:

Liebe Freundinnen und Freunde, BISSler, Unentschlossene, und nicht zuletzt liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei EZN einschließlich Herrn Dr. Eckerts,

wir wünschen Euch, Ihnen und uns ein gesegnetes, gesundes und glückliches neues Jahr 2012.

Annie für das „Eule-antwortet“-Team