[Kommentar] Herr Umweltminister: Was wollen Sie verantworten?

Schicksalsfrage für Braunschweig und Umgebung

Am 18.10. sendete das Magazin Panorama 3 (NDR) einen Beitrag mit dem Titel „Störfall in Braunschweig – Anwohner kämpfen um Aufklärung“. Darin wird unter anderem verdeutlicht: Die Störfallanalyse, die im Auftrag der Thuner Atomfirmen erstellt wurde, ist mit mindestens sehr zweifelhaften Daten gefüttert worden.

Beim Störfall vom November 2017 wurde mit mehr Radioaktivität hantiert, als die Störfallanalyse für vergleichbare Umstände annimmt. Dies wurde in der Sendung ironischer Weise sogar durch denselben Experten klargestellt, der im Auftrag der Stadt Braunschweig das sogenannte „Restrisikogutachten“ erstellt hatte. Trotz dieser eindeutigen Sachlage – die Störfallanalyse liegt der Panorama-Redaktion vor – bleibt Umweltminister Lies dabei: Die Störfallanalyse sei das präziseste Instrument zur Betrachtung des Risikos.

Unterdessen hat die Bürgerinitiative Strahlenschutz Braunschweig (BISS) ihren Stresstest in revidierter und leicht erweiterter Form vorgelegt. Das Fazit bleibt dasselbe: Wird nur ein Tausendstel des genehmigten Inventars frei, drohen noch in 20 km Entfernung Evakuierungen. Der Stresstest wurde Braunschweigs Oberbürgermeister Markurth übergeben sowie zusammen mit einem Offenen Brief dem Niedersächsischen Umweltminister Lies. 

Der Stresstest wurde mittlerweile gutachterlich bestätigt. Die Stellungnahme kommt zu dem Schluss [Hervorhebungen BISS]:

Es ist anhand der Ergebnisse des BISS Stresstests nachzuvollziehen, dass der Bürgerinitiative BISS eine Verlagerung der Anlagen an einen geeigneteren Standort als die einzig sinnvolle Möglichkeit zur Minderung des Risikos für die Bevölkerung erscheint. Die Ergebnisse der radiologischen Auswirkungen im BISS Stresstest, auch wenn die Freisetzungsmenge nur auf einer Annahme beruht, sollten von der Aufsichtsbehörde umgehend zum Anlass genommen werden, einen anlagenspezifischen Stresstest durchzuführen. Die Ergebnisse sollten von der Aufsichtsbehörde transparent dargestellt werden und ggf. Schritte zum Schutz der Bevölkerung ergriffen werden.“

Für Braunschweig und Kommunen in unmittelbarer Umgebung stellt sich die Schicksalsfrage: Beharrt der Umweltminister auf der formalen Korrektheit seiner Handlungen (er hat ja in der Tat eine Störfallanalyse, allerdings mit zweifelhaften Daten), lautet die offizielle Aussage „alles harmlos“. Alles läuft weiter wie immer, und wenn es mal nicht so läuft, deklariert man Störfälle (wie im Panorama-Beitrag) als „anormale Betriebszustände“. Aber was wäre, wenn – was hoffentlich nie geschieht – ein auslegungsüberschreitender Störfall einträte? Wenn Braunschweig und das Umland für längere Zeit evakuiert werden müssten, was sich aber ohne Notfallpläne als unmöglich herausstellen muss? Sagt man dann: „Das konnte niemand wissen“?

Betrachtet der Umweltminister die Störfallanalyse jedoch, oder nimmt er auch nur ernst, dass für eine realistische Worst-Case-Betrachtung ganz andere Zahlen einzusetzen sind, kann mehr Sicherheit für Braunschweig und die umliegenden Kommunen geschaffen werden. Das kostet allerdings: Das Nukleargelände neben Wohnhäusern und Schulen müsste umfassend gesichert werden, wenn man eine Umsiedlung denn unbedingt verhindern will. Das sollte uns die Entwirrung des historisch gewachsenen Gefahrenpotentials aber wert sein. Die Stadt Braunschweig und die umliegenden Ortschaften sollten im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger beim Land Niedersachsen auf dieses Minimalziel hinarbeiten.

Wer die gleichzeitig von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern angestrebte Klage gegen die extrem hohen Umgangsgenehmigungen der Nuklearfirmen neben Schulen und Wohnhäusern unterstützten möchte, kann dies über den Rechtshilfefonds Strahlenschutz e.V. tun.

BISS e.V.

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