Kultur des Diskurses

Ist Ihnen aufgefallen, dass im Laufe der vergangenen Wochen zuerst ein gewaltiger Anstieg in der Anzahl der Fernsehbeiträge und Zeitungsartikel über EZN zu verzeichnen war, und dass diese Beiträge dann in zunehmendem Maße unser Anliegen unterstützten? Ein riesiger Erfolg! Dem entsprechen auch die Entscheidungen des Stadtrates vom Dezember und das politische Signal aus dem gestrigen Planungs- und Umweltausschuss für eine Veränderungssperre. Offensichtlich gibt es mittlerweile sehr viele Menschen, die sich an den Kopf fassen und fragen: „Wie bitte, Atommüll im Wohngebiet – worüber diskutieren wir hier eigentlich?“

Bestimmt ist Ihnen auch zu Ohren gekommen, dass im Anschluss an diese Erfolge eine Reihe mehr oder minder direkter „Gegenmaßnahmen“ erfolgte (z.B. in Form eines Schreibens der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin an die ortsansässige Siedlergemeinschaft, in Form diverser Äußerungen, man möge doch auf eine Veränderungssperre verzichten, oder zuletzt in Form eines Schreibens des Firmenchefs an die CDU-Fraktion, wobei dieses zugegebenermaßen durch eine Anfrage der CDU-Fraktion selbst ausgelöst wurde, BISS-seitig aber als teilweise zweifelhaften Inhalts enttarnt worden ist)?

Und sicher haben Sie bemerkt, dass der Umgangston zunehmend schärfer geworden ist, dass man offenbar ausschließlich entweder „völlig BISSig“ oder „absolut EZN“ sein kann. Es gibt mittlerweile sogar Menschen, die uns Erweiterungsgegner nicht nur als Aktivisten, sondern teilweise sogar als Volksverhetzer und Lügner bezeichnen. Das ist so offensichtlich falsch, dass es keiner Erwiderung bedarf außer der einen, man möge unsere Veröffentlichungen so genau wie möglich lesen. Spekulationen und Privatmeinungen werden von uns nach bestem Wissen und Gewissen als solche gekennzeichnet, und unbequeme Wahrheiten, die auf öffentlich zugänglichen Dokumenten beruhen, sind keine Lügen. Sie sind nur manchen Menschen lästig.

Meiner Meinung nach bedeutet diese Zunahme an Aktivität auf Seiten der Erweiterungsbefürworter: Offenbar haben wir den einen oder anderen wunden Punkt getroffen. Robin Wood und BISS haben augenscheinlich Dinge herausgefunden, die nicht herausgefunden werden sollten. Und sie haben sie denjenigen entgegengehalten, die entweder nichts davon wussten, es aber hätten wissen müssen, oder die – möglicherweise – diese Dinge unter Verschluss halten wollten. Deshalb fühlen sie sich jetzt gezwungen, uns mit ihren politischen Gegnern zu identifizieren, alte Feindbilder zu aktivieren, um die eigene Position in besserem Licht erscheinen zu lassen.

Im Grunde müssten wir uns also darüber freuen, verbal diskreditiert zu werden. Aber diese Art der Polarisierung ist vollkommen unnötig, deshalb sollten wir sie uns nicht gefallen lassen. Sicherlich befinden wir uns inzwischen an einem Punkt, an dem es unmöglich geworden ist, nicht für die eine oder andere Seite Partei zu ergreifen; diese Entscheidung sollte aber sachbasiert sein und nicht zu mehr oder weniger offen sichtbaren Verleumdungen führen.

Man kann für die eine Seite Partei ergreifen, ohne die andere zu verachten. Das ist eine große Kunst, aber sie hat einen entscheidenden Vorteil: Der Gegner wird nicht als schlechter Mensch angesehen, sondern als jemand, der sich ein eigenes Bild von der Sachlage gemacht hat und an das glaubt, was er vertritt. Das kann man ihm aber nicht vorwerfen, denn man selbst handelt ebenso.

Ein solcher „ehrlicher“ Gegner kann, wenn man ihn in seiner Würde unangetastet lässt, möglicherweise irgendwann einsehen, dass er sich geirrt hat, und dann ohne Gesichtsverlust aus der Sache herauskommen – eine unerlässliche Voraussetzung für nachhaltig gutes Zusammenleben in unserem Stadtbezirk.

Falls allerdings jemand bewusst gelogen haben sollte, würde es schwierig – denn solche Menschen hätten sich bereits selbst ihrer Ehre beraubt und könnten vor sich selbst ihr Gesicht ausschließlich dadurch wahren, dass sie an ihrer Lüge festhalten, sie quasi immer wieder selbst realisieren. Hoffentlich ist niemand unter uns, der dieser Strategie nachgeht.