Gemeinsamer Nenner: Plutonium

Auch Eulen können Bauchschmerzen haben. Vor allem solche, die durch Gedankenverknüpfungen entstehen. In derlei Fällen schweigen sie normalerweise, aber manchmal erscheint ihnen ein solches Verhalten wenig sinnvoll – und genau das trifft heute zu. Der gemeinsame Nenner zwischen der aktuellen Erkenntnis über horrend hohe Genehmigungen für Kernbrennstoffe bei EZN, einem Erlebnis beim Gewerbeaufsichtsamt BS und Ereignissen aus dem vergangenen Jahrhundert lautet: Plutonium.

Am 23. Februar 2012 durfte ich an einem Besuch beim Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig teilnehmen, und seither geht mir etwas im Kopf herum, das aus irgendeinem Grund keine (gedankliche) Ruhe geben will, deshalb möchte ich Euch und Ihnen meine Eindrücke einer bestimmten Gesprächssituation von damals schildern, um zu sehen, ob andere Bürger ähnliche Schlüsse ziehen wie ich.

Zu besagtem Treffen erschien u.a. der Strahlenschutzbeauftragte des GAA-BS, Herr Dr. Hamann, aus terminlichen Gründen verspätet, was möglicherweise seine Anspannung in besagter Situation ein wenig erklären kann. Jedenfalls beteiligte er sich eine Weile „ganz normal“ am Gespräch, bis die Rede auf die blauen Container auf dem Firmengelände EZNs kam.

Ich stellte die Frage danach, wie es zusammenpasse, dass Dr. Eckert einerseits der BISS gegenüber geäußert hat, die Container seien zur Abschirmung (!) da und enthielten Bauschutt, dass er aber andererseits während des Hearings behauptete, wenn man die Behälter im Souterrain verwahre, würde die Strahlenbelastung sinken. Dr. Hamann schaute ein wenig verdutzt drein und vermutete dann, WENN Herr Dr. Eckert das so gesagt habe, dann hätte er bestimmt KONTAMINIERTEN Bauschutt gemeint. (Das „Wenn“ betonte er tatsächlich stark.)

Daraufhin erkundigte ich mich spontan, wie man sich das denn vorzustellen hätte mit der Kontamination. Und das ist die Stelle, die mir zu denken gibt. Inhaltlich lautete die Antwort: „Ach, das ist Bauschutt aus Laboren und so“. Entscheidend für mich war aber die Art der Reaktion, die meiner Meinung nach der Frage nicht angemessen war, denn Herr Dr. Hamann wurde wütend und schrie mich fast an, als er diese eigentlich auf der Sachebene angelegte Frage beantwortete.

Eine derartig emotionale Reaktion bringe ich einfach nicht mit einer schlichten Sachfrage zusammen. Irgendetwas steckt meines Erachtens dahinter; bestenfalls die simple Tatsache, dass das Gespräch am Abend eines anstrengenden Tages stattfand, aber es sind natürlich auch andere Szenarien denkbar.

Zwei Tage später hatte ich Gelegenheit, mit einem anderen „Eulenmenschen“ der BISS darüber zu reden, und er bot eine interessante Assoziation. So wie ich es verstanden habe, ist gesichert, dass EZN auch Material aus Geesthacht (ge)lagert und / oder verarbeitet (hat); dies wird bestätigt durch eine Aussage Dr. Eckerts im Tagesspiegel vom 09.06.2011: „Wir waren auch am Laborrückbau in Geesthacht einbezogen […]“. Dort befindet sich einerseits das Atomkraftwerk Krümmel, andererseits – wenige hundert Meter davon entfernt – das Atomforschungszentrum GKSS.

Und jetzt kommen wir zwar noch tiefer in den Bereich der Spekulationen hinein, aber eben in solche, die mittlerweile vielen plausibel erscheinen. (In einer ZDF-Dokumentation über die Lage in Geesthacht wird an einer Stelle sogar von einem Beweis gesprochen.) Denn als Ende des letzten Jahrhunderts in der Elbmarsch plötzlich viele Kinder an Leukämie erkrankten, machte man anfangs Krümmel dafür verantwortlich, aber mittlerweile nehmen viele Menschen an, dass eigentlich ein Unfall in der GKSS die Ursache war.

Angeblich hatte man vier Jahre vor den Erkrankungen an einem bestimmten Tag bunte Lichterscheinungen gesehen; außerdem fand man plutonium(!)haltige Kügelchen in Privatgärten der Gegend, in denen die Kinder natürlich, so kann angenommen werden, gespielt hatten. Das legt den Schluss nahe, dass entweder ein (mehr oder weniger unkontrollierter) Brand und / oder eine Explosion vorlag. Dies wird auch durch Luftbilder unterstützt, die einen Krater zeigen, der zur fraglichen Zeit entstanden sein muss.

Offiziell wird abgestritten, dass es einen Störfall gab, und das sogar so wehement, dass ein Untersuchungsgremium 2004 die Arbeit niederlegte mit der Begründung, dass die forschenden Mitarbeiter von offizieller Seite systematisch behindert worden seien. Irgendetwas muss aber geschehen sein, wenn man keine Massenpsychose der Zeugen oder gar ein Komplott gegen das Atomforschungszentrum annehmen will – zu viele Anwohner haben die außergewöhnlichen Beobachtungen bestätigt.

Wenn dort nun also wirklich ein Gebäude explodiert ist und Kügelchen freigesetzt hat, in denen Plutonium nachweisbar ist, frage ich mich, ob nicht noch Mauerreste und ähnliche Teilstücke existieren könnten, die dann ja irgendwo gelagert und konditioniert werden müssten. Und da enden die Spekulationen, bevor wir in einer Verschwörungstheorie landen.

Aber logisch wäre es meiner Meinung nach schon: Man vertuscht einen Unfall dieser Größenordnung, erklärt die in Krümmel zum fraglichen Zeitpunkt gemessene, eindeutig von außerhalb des AKWs stammende Radioaktivität durch einen Radonstau aufgrund von Wetterphänomenen (die der Deutsche Wetterdienst widerlegt hat, aber man bleibt heute noch dabei), erklärt die radioaktiven Kügelchen durch Tschernobyl (was ebenfalls widerlegt wurde) und muss nun, sofern nicht alle Feststoffe bei der Explosion verdampft sind, irgendwohin mit den Resten. Entweder lagert man sie vor Ort, oder man bringt sie zu einem professionellen Entsorger. Zumal zu einem, der ohnehin eine (zu) groß bemessene Genehmigung für Kernbrennstoffe besitzt – wie EZN.

Einziges Gegenargument: Das ursächliche Ereignis fand bereits am 12. September 1986 statt, und da bestand für Thune – zumindest soweit wir wissen – noch keine Genehmigung. Interessant wäre also herauszufinden, seit wann genau die Container sich auf dem Betriebsgelände befinden. Sie könnten ja auch später hingeschafft und zuvor vor Ort gelagert worden sein.

Angesichts der aktuellen Erkenntnisse darüber, dass a) überhaupt Plutonium im Thuner Wohngebiet lagert, dass b) es sich dabei um deutlich höhere Größenordnungen handelt als angenommen werden konnte und dass c) die Genehmigung noch bis 2013 existiert (wobei diese ihrerseits aus Laiensicht als eigentlich zu verbietende Vorratsgenehmigung zu gelten hat, weil sie höher ausfällt als der tatsächliche Bedarf der Firma), scheint es irrelevant, dass die Erlaubnis sich konkret auf Plutonium-Beryllium-Quellen bezieht. Wer eine derartig umfassende Genehmigung besitzt, dem könnte auch noch ganz Anderes erlaubt worden sein.

Drei Schlüsse ziehe ich aus dieser Verquickung von Indizien:

a) Desinformation, sowohl in Geesthacht als auch in Braunschweig und sicher auch noch anderswo, scheinen im Dunstkreis künstlicher Radioaktivität Gang und Gäbe zu sein, und in beiden Fällen führen die Indizien zur starken Vermutung, dass der Befehl dazu von „ganz oben“ gekommen ist – zumindest von der Landes-, möglicherweise aber auch von der Bundesebene. Oder, wie der Volksmund sagt: Stinkt der Fisch hier nicht offensichtlich vom Kopfe her?

b) Angesichts der Häufigkeit, mit der in letzter Zeit erschreckende Informationen über EZN ans Licht gekommen sind, ist jetzt tatsächlich Misstrauen nicht nur angezeigt, sondern Bürgerpflicht. Die Beweislast für angebliche Harmlosigkeiten muss jetzt – bei EZN wie bei der GKSS – bei den Betreibern liegen. Damit nie wieder jemand unnötig gefährdet wird.

c) Ich will wissen, was genau in den Containern lagert und woher es stammt. Und zwar nicht deshalb, um Schuldige benennen zu können, sondern damit das Zeug aus dem Wohngebiet weg- und an den sicherstmöglichen Platz verbracht wird. GG §2 (2): Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Sorgen wir für Transparenz! Die geplante Klage der BISS auf Herausgabe brauchbarer Inventarlisten ist da nur ein erster Schritt. Möglicherweise ist das, was wir bisher wissen, noch nicht das Ende der Fahnenstange.