BISSig: Satirischer Rhetorikkurs

Herr Dr. Eckerts Beitrag zum Leserforum der Braunschweiger Zeitung hat Eindruck hinterlassen – jedenfalls bei den Satirikern unter den Zuhörern. Der anonym bleiben wollende Autor ‚Charming Boy‘ zitiert hier nicht wörtlich (nein, Herr Eckert hat NICHT „Zwitter“ gesagt!), sondern analysiert höchst treffend die Eckertsche Rhetorik, wie wir sie in den vergangenen Monaten erfahren haben. Also hereinspaziert in den

Berliner Rhetorik-Kurs Teil 1
Autor: Charming Boy

Meine Damen und Herren, liebe Zwitter,
bitte sehen Sie es mir nach, dass ich nicht so in Worten schwelgen kann, eigentlich bin ich ja nur Unternehmer, und bin es nicht gewohnt, vor so vielen Menschen zu sprechen.

Ziel: erzeuge Mitleid, ersticke bei Männern Rivalitätsgefühle.

Ja, gut, ich war Information Officer für das Generalsekretariat der Vereinten Nationen in New York. Aber was sagt das schon? Die meisten Menschen und Nationen sehnen sich nach simplen Antworten und blumiger Sprache. Wir haben sie glücklich gemacht – ist das etwa etwas Schlimmes? Gut, wir haben schon mal ein Land a bisserl angeklagt, so von wegen Rachebedürfnis und so. Aber hauptsächlich haben wir verkündet, im Himmel sei Jahrmarkt. Gut, wenn man hochkommt, steht da vielleicht nicht mal eine Bude, aber wen interessiert das schon? Außerdem hat mein Chef alles gemanagt.

Ziel: Schaffe Bewunderung, löse Spannung aus durch minus- und plus-Aussagen, gaukle Ehrlichkeit vor.

Moderator: Nehmen Sie das Mikro, sonst hört man sie nicht.

Ja, aber das ist schon eine Last, das kenne ich ja nicht. Sehen Sie mir nach, wenn ich das nicht so perfekt mache. Das ist jetzt alles sehr viel für mich. O Gottegott, ein richtiges Mikro!

Ziel: Erwecke Mitleid, speziell bei älteren Damen.

Ich bin eigentlich im Urlaub.

Ziel: Erzeuge Mitleid und schlechtes Gewissen: Der opfert seinen Urlaub für uns. Ach nee, das können wir doch gar nicht annehmen! Jetzt schämen wir uns mal ordentlich.

Ich muss leider um 20 Uhr weg, mein Zug.

Ziel: Ich bin abhängig und klein, nicht groß und mächtig. Erzeuge Schuldgefühle. Löse Bedauern aus. Zeige, dass dir die Veranstaltung am Arsch vorbei geht und du was Besseres zu tun hast. Mache dadurch die Zuhörenden klein und unbedeutend. Deutsche wollen gedemütigt sein! Nutze das.

Natürlich kann ein Typ wie du nicht den nächsten Zug nehmen. Für dich ist ja der erste Zug schon zu spät! Denn du bist vorne, immer nur vorne! Merk dir das!

Erwecke den Anschein, als hättest du ein Sparpreis-Ticket mit Zugbindung, auch wenn dein Chauffeur am Bahnhof wartet. Du bist nämlich arm! Geistig und materiell. Vergiss das nie! Das kommt an, besonders bei politischen Gremien.

Ja, die KiKK-Studie, die Klapperstorch-Statistik.

Ziel: Lenke von Wichtigem ab: Rege die Leute auf, dann können sie nicht mehr logisch denken, ärgern sich über dich und achten nicht mehr auf die Fakten. Primitive freuen sich. Selbst Blöde können sich das merken und sind stolz. Gerade wenn sonst Vieles kompliziert war. Schaffe auch für Landtagsabgeordnete Erfolgserlebnisse.

Tipp: Rücke körperlich immer wieder an Dein Gegenüber heran. Dein Gegenüber fühlt sich dadurch bedrängt und mit dem Rücken an der Wand. Das schwächt ihn, psychisch, und optisch für Zuhörende. Nimm Dir allen Raum! Um so stärker wirkst Du!

Merke: Es kommt nicht auf deine Worte an, sondern erzeuge Stimmungen. Und 70 % aller Information kommt durch Körpersprache und Floskeln rüber. Weiß die Regierung schon lange! Nimm dir mal ein Beispiel.

Sage zum Schluss: danke!

Na, geht doch! Gute Nacht!