Archiv der Kategorie: Keine Atomindustrie im Wohngebiet!

Strahlenschutz verschlechtert sich: Mehr Strahlung zulässig am Zaun von Eckert & Ziegler

– Pressemitteilung –
Strahlenschutz verschlechtert sich
Mehr Strahlung zulässig am Zaun von Eckert & Ziegler

Am 19. Oktober soll der Bundesrat eine „Artikelverordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts“ beschließen. Der Entwurf dazu wurde unter anderem vom BUND kritisiert. Die Bürgerinitiative Strahlenschutz (BISS) schließt sich der Einschätzung des BUND an und benennt insbesondere die „1760-Stunden-Regelung“ als Gefahr für das Wohngebiet neben den Braunschweiger Atomfirmen.

Diese Regelung geht davon aus, dass sich Personen nicht das ganze Jahr über, sondern höchstens 1760 Stunden jährlich an gefährdeten Orten, also z.B. dem Zaun einer Atomanlage, aufhalten. Ein Jahr hat aber eigentlich 8760 Stunden. Man rechnet also herunter: Die Strahlung, die eigentlich für ein ganzes Jahr zulässig wäre, darf nun in knapp zweieinhalb Monaten erreicht werden.

Bislang war grundsätzlich Daueraufenthalt anzunehmen. An Röntgenpraxen und am Braunschweiger Atomstandort neben Wohnhäusern war allerdings mit einer Sonderregelung, der sogenannten 2000-Stunden-Regelung, schon das Herunterrechnen auf ein Vierteljahr erlaubt – jetzt wird der Zeitraum noch geringer.

BISS-Sprecher Peter Meyer: „Wir kritisieren diese 2000-Stunden-Regelung für die Atomanlage im Braunschweiger Wohngebiet seit Jahren. Noch im Sommer 2017 hieß es in einem Kompromiss zwischen Stadt und Eckert & Ziegler dass diese Sonderregelung abgeschafft werden solle – und nun soll sogar noch mehr Strahlung zulässig sein! Wo bleibt da die versprochene Verbesserung im Strahlenschutz?“

Bereiche neben den Atomfirmen dürften zukünftig legal 5x mehr belastet werden als bislang an öffentlichen Orten: Die alte Sonderregelung galt ansonsten hauptsächlich für Röntgenpraxen; nicht einmal an Atomkraftwerken wird sie angewandt. Die NDR-Sendung „Hallo Niedersachsen“ betonte 2014, dass für das Atommülllager Gorleben deutlich strengere Regelungen gälten als in Braunschweig. Gorleben liegt im Wald, rechnet die Werte aber nicht herunter – im Wohngebiet ist dies erlaubt.

Experten sind der Meinung, dass Annahmen über Aufenthaltszeiten nur dort zulässig sind, wo Aufenthalte sicher ausgeschlossen werden, etwa in radiologischen Arztpraxen, die außerhalb der Praxisöffnungszeiten abgeschlossen sind. Im Falle von Eckert & Ziegler geht es um Punkte auf öffentlichem Gebiet, zum Beispiel den Fußweg am Zaun. Hier ist ein Daueraufenthalt unwahrscheinlich, aber möglich. Wenn sich aber am Zaun die Direktstrahlung verfünffacht, verfünffacht sich auch der Anteil der Direktstrahlung seitens der Firmen im angrenzenden Wohngebiet. Bislang ist kein anderer Fall als der
hier vorliegende bekannt, in dem die alte Sonderregelung in dieser umstrittenen Weise Anwendung findet. Mit der neuen Verordnung wird dieser Zustand noch verschärft.

Wenn nur 1760 Stunden betrachtet werden, bedeutet dies, dass statt 1 Millisievert pro Jahr ab 2019 sogar 5 Millisievert Ortsdosisleistung pro Jahr zulässig werden. Das heißt nichts anderes, als dass das Krebsrisiko der Bevölkerung aufgrund der Direktstrahlung auf das Fünffache steigen darf.

In der Begründung zur neuen Verordnung heißt es hingegen: „Die Artikelverordnung wird […] den bestehenden hohen Schutzstandard weiter verbessern.“ Für die Bürgerinitiative Strahlenschutz und viele andere Umweltverbände und –gruppen ist dies reiner Hohn.

BISS e.V.

Hintergrund:
Im Braunschweiger Norden arbeiten mehrere Fabriken mit radioaktiven Stoffen. Unter anderem werden dort Strahlenquellen für Industrie und Medizin hergestellt und Atommüll im großen Stil verarbeitet. Der Atomstandort liegt in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung samt Schulen und Kindergärten. Eine der dort ansässigen Atomfirmen ist Eckert & Ziegler.

Feuerwehr am Gelände: Offenbar Fehlalarm

Die 5 Feuerwehrwagen, die heute Morgen zwischen ca. halb acht und acht am Gelände der Nuklearfirmen neben Wohnhäusern standen, sowie evtl. die drei weiteren Fahrzeuge, die sich in der Umgebung von Möma befanden, waren laut Feuerwehr aufgrund eines Brandmelderalarms ausgerückt.

Gegen acht Uhr haben wir am Gelände nachgesehen: Es waren keine auffälligen Messwerte festzustellen, und die Feuerwehrfahrzeuge befanden sich ebenfalls nicht mehr dort. Also offenbar Entwarnung.

Natürlich wäre eine offizielle Bestätigung eines Fehlalarms beruhigender: Es ist nicht auszuschließen, dass ein kleineres Ereignis tatsächlich stattgefunden hat. Wir wissen aus Erfahrung, dass die Bevölkerung nicht einmal beim Freiwerden von 21 Megabecquerel benachrichtigt wird, selbst wenn die Freisetzung zur Rush Hour der Schulkinder stattfindet wie beim Störfall vom November 2017.

Die telefonische Versicherung eines Feuerwehrbeamten gegenüber einem BISS-Mitglied, die Bevölkerung würde auf jeden Fall informiert, wenn bei Betrieben, die unter die Störfallverordnung fallen, etwas geschähe, klingt also nicht sehr glaubwürdig – nicht nur, weil die Nuklearfirmen gar nicht als Störfallbetriebe eingestuft sind.

Pressemitteilung: „Störfallanalyse“ demaskiert / Ministerium übernahm haltlose Annahmen

PRESSEMITTEILUNG

Eckert & Ziegler: „Störfallanalyse“ demaskiert
– Ministerium übernahm haltlose Annahmen –

Das Politikmagazin „Panorama 3“ veröffentlichte am 18.09. brisante Details aus der seit Jahren geheim gehaltenen Störfallanalyse der Atomfirmen in Braunschweig. Diese dient eigentlich dazu, dem Atomstandort in Braunschweig ausreichende Sicherheit zu bescheinigen; jetzt aber ist sicher: Selbst der nach Behördeneinschätzung harmlose Störfall im November 2017 übertraf die vergleichbare Annahme in der Störfallanalyse zu GE Healthcare und Eckert & Ziegler um ein Vielfaches.

Dieser Umstand lässt am Fazit der Analyse zweifeln: Wenn nicht einmal ein Störfall, der tatsächlich eingetreten ist, von der Risikoeinschätzung abgedeckt ist, wie soll man dann glauben, dass bei einem größeren Störfall nicht einmal das nächste Wohnhaus evakuiert werden müsste?

Im Gegenteil, so BISS-Sprecher Thomas Huk, müsse man nun die Einschätzung des BISS-Stresstests zur Kenntnis nehmen. Dieser zeigt anhand offizieller Berechnungsvorschriften, dass bereits die Freisetzung von einem Tausendstel des genehmigten radioaktiven Inventars zu so hohen radioaktiven Belastungen führen kann, dass eine Evakuierung noch in 19 Kilometern Entfernung notwendig wird.

BISS-Sprecher Peter Meyer ergänzt: „Wir sehen die Verantwortlichen in der Pflicht, eine neue, diesmal fundierte und öffentlich einsehbare Störfallanalyse und zusätzlich einen Stresstest in Auftrag zu geben, um einen Überblick über alle Risiken zu erhalten. Der BISS-Stresstest ist dabei unbedingt zu berücksichtigen; er wurde gutachterlich bestätigt und bietet eine gute Grundlage.“

Meyer fügt hinzu: Mit dem geprüften BISS-Stresstest wird deutlich, dass aufgrund der enorm hohen Strahlengenehmigung eine aktuelle Gefährdungslage in Braunschweig besteht, auf die das Landesumweltministerium mit einem Stopp des Betriebes reagieren muss. Und zwar solange bis die Strahlengenehmigung vollständig überprüft wurde. Diese Prüfung läuft nämlich seit 5 Jahren und ist immer noch nicht abgeschlossen worden. Diesen Umstand werden wir nicht weiter akzeptieren. Die BISS und der Rechtshilfefonds Strahlenschutz Braunschweig bereiten sich auf eine Klage vor.

BISS e.V.